Am Abend vor Weihnachten

 

Dämmerstille Nebelfelder,
schneedurchglänzte Einsamkeit,
und ein wunderbarer weicher
Weihnachtsfriede weit und breit.

 

Nur mitunter, windverloren,
zieht ein Rauschen durch die Welt.
Und ein leises Glockenklingen
Wandert übers stille Feld.

 

Und dich grüßen alle Wunder,
die am lauten Tag geruht,
und dein Herz singt Kinderlieder,
und dein Sinn wird fromm und gut.

 

Und dein Blick ist voller Leuchten,
längst Entschlaf'nes ist erwacht ...
und so gehst du durch die stille
wunderweiche Winternacht.

Wilhelm Lobsien

Im Winter

 

Schlaf ein, mein süßes Kind!
Da draußen singt der Wind.
Er singt die ganze Welt zur Ruh',
deckt sie mit weißen Betten zu.
Und bläst er ihr auch ins Gesicht,
sie rührt sich nicht und regt sich nicht,
aus ihren weißen Decken.

 

Schlaf ein, mein süßes Kind!
Da draußen geht der Wind,
pocht an die Fenster und schaut hinein,
und hört er wo ein Kind noch schrei'n,
da schilt und brummt und summt er sehr,
holt gleich sein Bett voll Schnee daher
und deckt es auf die Wiegen,
wenn's Kind nicht still will liegen.

 

Schlaf ein mein süßes Kind!
Da draußen weht der Wind.
Er rüttelt an dem Tannenbaum;
da fliegt heraus ein schöner Traum;
der fliegt durch Schnee, durch Nacht und Wind
geschwind, geschwind zum lieben Kind
und singt von lust'gen Dingen,
die's Christkind ihm wird bringen.

 

Schlaf ein, mein süßes Kind!
Da draußen bläst der Wind.
Doch ruft die Sonne: »Grüß' euch Gott!«
Bläst er dem Kind die Backen rot,
und sagt der Frühling: „Guten Tag!“
bläst er die ganze Erde wach,
und was fein still gelegen
das freut sich aller wegen.

 

Drum schlaf mein süßes Kind,
bläst draußen auch der Wind!

Robert Reinick

 

 

Kaschubisches Weihnachtslied

 

Wärst du, Kindchen, im Kaschubenlande,
wärst du, Kindchen, doch bei uns geboren!
Sieh, du hättest nicht auf Heu gelegen,
wärst auf Daunen weich gebettet worden.

Nimmer wärst du in den Stall gekommen,
dicht am Ofen stünde warm dein Bettchen,
der Herr Pfarrer käme selbst gelaufen,
dich und deine Mutter zu verehren.

Kindchen, wie wir dich gekleidet hätten!
Müßtest eine Schaffellmütze tragen,
blauen Mantel von kaschubischem Tuche,
pelzgefüttert und mit Bänderschleifen.

Hätten dir den eig'nen Gurt gegeben,
rote Schuhchen für die kleinen Füße,
fest und blank mit Nägelchen beschlagen!
Kindchen, wie wir dich gekleidet hätten!

Kindchen, wie wir dich gefüttert hätten!
Früh am Morgen weißes Brot mit Honig,
frische Buiter, wunderweiches Schmorfleisch,
mittags Gerstengrütze, gelbe Tunke,

Gänsefleisch und Kuttelfleck mit Ingwer,
fette Wurst und gold'nen Eierkuchen,
Krug um Krug das starke Bier aus Putzig!
Kindchen, wie wir dich gefüttert hätten!

Und wie wir das Herz dir schenken wollten!
Sieh, wir wären alle fromm geworden,
alle Knie würden sich dir beugen,
alle Füße Himmelwege gehen.

Niemals würde eine Scheune brennen,
sonntags nie ein trunk'ner Schädel bluten, —
wärst du, Kindchen, im Kaschubenlande,
wärst du, Kindchen, doch bei uns geboren!

Werner Bergengruen

 

 

Christkinds Boten

 

Nun bricht der heil´ge Christtag an;
trüb glüht der Wintermorgen
um Niklas Klause, tief im Tann,
in Busch und Kluft geborgen.
Weit steht der Wald in ros´ger Pracht
gleichwie in Weihnachtskerzen!
Schon glüh´n, in Freude hold erwacht,
viel tausend Kinderherzen!

Schon heben in den Gründen an
die heil´gen Weihnachtsglocken!
Ein Lichtschein wandelt durch den Tann
die Rehlein stehn erschrocken.
Ein wonnesames Singen schallt
daher im Morgenwinde;
das Christkind wandelt durch den Wald
mit seinem Lichtgesinde.

Es sendet seine Boten aus,
durch Dorf und Stadt zu wallen.
Heraus nun, Vater Nikolaus,
mit deinen Schätzen allen!
Schon naht der lieben Engel Schar:
im Frührot und vor Tagen
was du geschafft im ganzen Jahr
in Hütt´ und Schloß zu tragen!

Mach auf! Mach auf! Er läßt sie ein,
die lichten Himmelsknaben.
Fort schweben sie im Frührotschein
mit seinen Wundergaben.
Ob allen Tälern rauscht es sacht,
klingt es im Jubelschalle:
Dies ist der Tag, den Gott gemacht!
Freut euch, ihr Kinder alle!

Julius Lohmeyer