Liebe Leser, der Adventskalender steckt wie immer voller Überraschungen.

Bereits als Kinder warteten wir voller Spannung schon am Abend darauf, was wohl das Kalendertürchen am nächsten Morgen für uns bereithalten würde. Heute, wie vor 70 Jahren, sind mir die Bildkalender die Liebsten, erinnern sie mich doch daran, wie sich meine Mutter zu jedem Bild eine Geschichte ausdachte.

Auch euch erwarten in diesem Jahr  24 Geschichten. Gemeinsam mit Jenny, einem kleinen Mädchen lernen wir die Natur ein wenig besser kennen. Ein Rotkehlchen, das für ein Jahr, in der Weihnachtszeit, der Weihnachtsvogel sein darf, bekam vom Christkind diesen Ehrentitel und die Möglichkeit sich an den 24 Tagen mit einem Kind seiner Wahl zu unterhalten. Beide werden uns durch diese 24 Kalendertage begleiten. Ich wünsche euch eine besinnliche Adventszeit und gute Unterhaltung.                                                                                                                                 Eure Christina

 

Der Adventskalender beginnt mit dem 1. Advent 

Das Vöglein auf dem Weihnachtsbaum

 

Ich hatt’ ein Vöglein, das war wunderzahm,
dass es vom Munde mir das Futter nahm.
Es flatterte bei meinem Ruf herbei
und trieb der muntern Kurzweil vielerlei,
drum stand das Türchen seines Kerkers auf
den ganzen Tag zu freiem Flug und Lauf.

Im Käfig war es aus dem Ei geschlüpft,
war nie durch Gras und grünes Laub gehüpft
und hatte nie den dunklen Wald geschaut,
wo sein Geschlecht die leichten Nester baut.
Und wie der Winter wieder kam ins Land,
das Weihnachtsbäumchen in der Stube stand,
da fand mein schmuckes, zahmes Vögelein
neugierig bald sich in den Zweigen ein.

Wohl trippelt es behutsam erst und scheu
dem Rätsel zu, so lockend und so neu,
doch bald war's in dem grünen Reich zu Haus,
wie prüfend breitet es die Flügel aus;
so freudig stieg und fiel die kleine Brust,
als schwellte sie der Tannenduft mit Luft.
Und wie er nie vom Käfig noch erklang,
so froh, so schmetternd tönte sein Gesang!
Zum ersten Mal berauscht vom neuen Glück,
kehrt es zu seinem Hause nicht zurück.
Hart an das Stämmchen duckt es, still und klein
und schlummert in der grünen Dämmrung ein.

Und sinnend sah ich lang des Lieblings Ruh
wie erst dem Spiel, dem zierlich heitren, zu,
als durch des Vogels Leib mit einemmal
sein seltsam Zittern wunderbar sich stahl;
das Köpfchen mit dem Fittich zugetan,
fing es geheim und süß zu zwitschern an:

Im Traum geschah’s ... und Wald und Waldeswehn
schien ahnungslos durch diesen Traum zu gehen.

(Hermann von Schmid)