Antonia sucht den Weihnachtsmann

 

Der Sommer neigte sich dem Ende zu, langsam zog der Herbst ins Land. Den Sommer über war Antonias größter Wunsch und Traum in Vergessenheit geraten. Jetzt, wo es kühler wurde, musste sie immer wieder daran denken. Nun saß sie einsam auf ihrer Bank vor dem Haus und grübelte über die Verwirklichung nach. „Was hast du? Du siehst so traurig aus?“, erkundigte sich ihr kleines Häschen und schaute seine große Freundin dabei fragend an, denn Antonia besaß die Eigenschaft, die Sprache der Tiere zu verstehen. „Du kannst mir sicher auch nicht helfen“, antwortete Antonia. „Ich möchte einmal den Weihnachtsmann bei seiner Arbeit beobachten und ihm helfen. Keiner kennt jedoch den Weg und niemand kann mir helfen.“ „Vielleicht kann ich dir doch helfen“, tröstete das Häschen. „Ich kann ja mal meine Freunde draußen im Walde fragen.“ „Würdest du das für mich tun?“, staunte Antonia. „Aber gerne, für dich tue ich alles! Nun lass den Kopf nicht mehr hängen, freu dich wie schön die Blätter tanzen. Hole deinen Drachen, er steigt bestimmt gut auf bei dem Wind und heute Nacht hoppel ich in den Wald und frage meine vierbeinigen Freunde.“ 

Antonia freute sich über die Aussicht und holte auch tatsächlich ihren Drachen, stieg damit auf den Berg und sah seinem Gleiten zu. Schnell verging der Tag, Antonia träumte davon, wie Max, ihr Zwergkaninchen, durch den Wald zu den Tieren lief. Zuerst schaute sich Max im Walde um und versuchte Witterung aufzunehmen. ‚Wo finde ich die Waldtiere‘, überlegte er.  Weiter ging es in großen Sprüngen. Er hielt wieder inne und schnüffelte nach allen Seiten. ‚Da? War da nicht etwas? ‘ Noch ein wenig weiter, der Witterung nach, wagte er sich in den Wald. Dann sah er fast vor sich, einen Hirsch stehen. Max trommelte seine Nachricht auf den Waldboden. Sie hieß: „Großer Hirsch, kannst du helfen? Ich suche den Weihnachtsmann, weißt du, wo er wohnt?“ Da die Tiere sich untereinander verstehen, antwortete der Hirsch mit einem röhren. „Ich kenne ihn nicht, aber mein Bruder, der Elch, könnte ihn kennen. Ich werde ihn fragen, wenn es dir so wichtig ist.“ „Es ist mir sehr wichtig, da meine beste Freundin Antonia sonst traurig ist und ich habe ihr versprochen es zu erkunden.“ „Komm in zwei Tagen wieder“, antwortete der Hirsch, „dann werde ich es dir sagen können.“

Sogleich machte sich der Hirsch auf den Weg. An hohen Tannen vorbei durch dichtes Gestrüpp setzte er in großen Sprüngen zu seinem Bekannten, dem Elch. Dieser war nicht gerade begeistert von der Bitte, die Adresse des Weihnachtsmannes preiszugeben. „Du weißt, dass keine Kinder zum Weihnachtsmann dürfen! Sie sehen ihn, wenn er zu ihnen kommt, aber nicht vorher und helfen, ha, ha, ha, kann ein Menschenkind sowieso nicht, dafür hat der Alte seine Zwerge“, lachte der Elch. „Max, hat gesagt, dass Antonia ein besonders liebes Mädchen ist“, bat der Hirsch erneut. „Gut, ich werde es testen“, entschied sich nun der Elch. Bringe das Mädchen, wenn der Mond sich wendet, zu mir, dann werde ich entscheiden, ob sie zum Weihnachtsmann darf oder nicht.“ „Danke“, ich werde pünktlich sein, verabschiedete sich der Hirsch.

Als sich zwei Tage später der kleine Hase und der Hirsch wiedertrafen, konnte der Hirsch ihm diese gute Nachricht überbringen. Wie sehr freute sich Antonia, als ihr Max erzählte, was er erreicht hatte. Sie war so aufgeregt, dass sie die nächsten Abende kaum einschlafen konnte. Dann, war es endlich soweit, Max führte sie bis zum Waldrand, wo der Hirsch schon auf die beiden wartete. Nun durfte Antonia auf seinen Rücken steigen. Schnell wie der Wind ging es durch den Wald, bis sie beim Elch ankamen. „Na, da bist du ja, Antonia“, empfing sie der Elch. „Du möchtest also unbedingt zum Weihnachtsmann in seine Werkstatt? Was wünschst du dir eigentlich zum Fest?“ „Das ist mein größter und einziger Wunsch“, antwortete Antonia. „Wenn du aber nun einen Wunsch freihättest“, beharrte der Elch weiter. „Dann würde ich mir für meinen kleinen Bruder eine Eisenbahn wünschen. Wie würde er sich freuen und ich habe ihn sehr lieb!“ „Damit hast du die Prüfung bestanden“, freute sich der Elch. „Welche Prüfung“, wurde Antonia jetzt neugierig. „Wenn jemand zum Weihnachtsmann möchte, sollte er selbstlos an andere denken. Du hast an deinen Bruder gedacht und nicht nur an dich. Der Weihnachtsmann arbeitet das ganze Jahr für andere, um Erwachsenen und Kindern Freude zu bereiten. Wer ihm hilft, sollte auch ein Herz für den Nächsten haben. So, nun wollen wir uns auf den Weg ins Weihnachtsreich machen.“ Jetzt durfte Antonia auf dem Rücken des Elches Platz nehmen und der Ritt ging weiter. Tiefer, immer tiefer ging es in den Wald hinein, immer dichter standen die dick beschneiten Bäume. Nur weil sich Antonia fest an den Hals des Elchs anschmiegte, wurde sie nicht von den ihr entgegenwehenden Ästen, vom Rücken ihres Reittieres heruntergeholt.

Endlich waren sie im Weihnachtsland angekommen. Zuerst wurden sie von einem Zwerg begrüßt, der schon auf das Mädchen gewartet hatte. Er führte sie ins Reich der Weihnacht. „Hierher dürfen nur ganz wenige Menschen hinein. Dir, Antonia, ist es erlaubt. Jedoch darfst du nie darüber zu deinen Freundinnen sprechen, es bleibt unser Geheimnis. Versprichst du mir das?“  „Ja, das verspreche ich, geglaubt hätte es mir sowieso niemand, weil kein Kind, das ich kenne, je hier war.“ „Da hast du recht, aber jetzt komm herein.“ Beide betraten nun einen großen Saal, in dem es von weihnachtlicher Musik summte, Düfte von Zimt und Pfefferkuchen lagen in der Luft. Antonia sah sich vorsichtig und staunend nach allen Seiten um. „Oh, wie wunderschön ist es hier!“, rief sie immer wieder. Dann sah sie den Weihnachtsmann, wie er auf einem, viele Meter langen Wunschzettel, Wunsch für Wunsch abhakte. Viele Päckchen lagen auf verschieden Bergen aufgeschichtet. Die Zwerge waren fleißig bei der Arbeit. Puppen wurden neu eingekleidet, Teddys mit Holzwolle ausgestopft. In der Wichtelküche waren Zwerge dabei, die Plätzchen und Pfefferkuchen zu verzieren. Antonia konnte sich nicht satt sehen an all den schönen Dingen. Kleine Englein halfen den Zwergen. Einige übten kräftig Weihnachtslieder ein, damit ihr Chor am Heiligen Abend besonders gut klingen würde. Ein anderer versorgte den Esel von Knecht Ruprecht. Antonia wusste gar nicht, wo sie zuerst hinschauen sollte. „Na, wie gefällt es dir bei uns?“, fragte sie jetzt der Weihnachtsmann. „Danke, danke, dass ich all die schönen Dinge einmal sehen darf!“, strahlte Antonia übers ganze Gesicht. „Nun wird es aber Zeit nach Hause zu gehen“, erinnerte plötzlich ein kleiner Zwerg, der Antonia die ganze Zeit begleitet hatte. Wie schnell doch die Zeit vergeht. Antonias Mund entschlüpfte ein Gähnen. „Komm, die heutige Nacht soll noch einen besonderen Abschluss haben“, forderte sie nun der Weihnachtsmann auf. „Ich habe die Rentiere schon einspannen lassen. Komm steig ein.“ Antonia konnte es kaum fassen, wie schnell der Renntierschlitten durch die Luft sauste und vor ihrem Haus hielt. „Gute Nacht und danke“, konnte Antonia gerade noch rufen, als der Traum vorbei war und sie zu Hause in ihrem Bett lag. Als sie die Augen aufschlug, lag neben ihr auf dem Kopfkissen ein Lebkuchenherz. Antonia überlegte, hatte sie das alles nur geträumt in der letzten Nacht oder war sie beim Weihnachtsmann gewesen? Auf alle Fälle war es wunderschön. © Christina Telker

Garten der Poesie 0