Frühlingsball der Tiere

 

Es war die erste Maiennacht.
Kein Mensch im Dorf hat mehr gewacht.
Da hielten, wie es stets der Fall,
Die Tiere ihren Frühlingsball.
Die Gans, die gute Adelheid,
Fehlt nie bei solcher Festlichkeit.
Obgleich man sie nach altem Brauch
Zu necken pflegt. So heute auch.
»Frau Schnabel«, nannte sie der Kater.
»Frau Plattfuß!« rief der Ziegenvater.
Doch sie, zwar lächelnd, aber kühl,
Hüllt sich in sanftes Selbstgefühl.
So saß sie denn in ödem Schweigen
Allein für sich bei Spiel und Reigen,
Bei Freudenlärm und Jubeljux.
Sieh da, zum Schluß hat auch der Fuchs
Sich ungeladen eingedrängelt.
Schlau hat er sich herangeschlängelt.
»Ihr Diener«, säuselt er galant,
»Wie geht's der Schönsten in Brabant?
Ich küss' der gnäd'gen Frau den Fittich.
Ist noch ein Tänzchen frei, so bitt' ich.«
Sie nickt verschämt: »O Herr Baron!«
Indem so walzen sie auch schon.
Wie trippeln die Füße, wie wippeln die Schwänze
Im lustigen Kehraus, dem letzten der Tänze.
Da tönt es vier mit lautem Schlag.
Das Fest ist aus. Es naht der Tag.
Bald drauf, im frühsten Morgenschimmer,
Ging Mutter Urschel aus, wie immer,
Mit Korb und Sichel, um verstohlen
Sich etwas fremden Klee zu holen.
An einer Hecke bleibt sie stehn.
»Herrje, was ist denn hier geschehn?
Die Füchse, sag' ich, soll man rädern.
Das sind wahrhaftig Gänsefedern.
Ein frisches Ei liegt dicht daneben.
Ich bin so frei, es aufzuheben.
Ach, armes Tier«, sprach sie bewegt,
»Dies Ei hast du vor Angst gelegt.«

 (Wilhelm Busch)

Ostern

 

Vom Erdenstaub zu reinen, blauen Lüften

Dringt weit der Blick in ersten Frühlingstagen,

Und höher steigt der mächt′ge Sonnenwagen,

Die Erde sehnt nach Blättern sich und Düften,

Und heilige Geschichten uns dann sagen

Was sich geahnet in des Herzens Klüften.

Er ist erstanden aus den Todesgrüften,

Und wie vergebens war der Menschen Zagen,

Ja so ersteht die Welt der Himmelsgaben

Mit jedem Jahre neu, die Knospen brechen,

Und nichts ist unsrer Liebe zu erhaben,

Sie giebt uns alles in den Wonnebächen,

Die nach dem Eisgang Flur und Aug′ durchgraben,

Das Unsichtbarste will zum Lichte sprechen.

Achim von Arnim

Die Glocken läuten Ostern ein

 

 Die Glocken läuten das Ostern ein

 In allen Enden und Landen,

Und fromme Herzen jubeln darein:

 Der Lenz ist wieder entstanden!

 

Es atmet der Wald, die Erde treibt

 Und kleidet sich lachend im Moose,

 Und aus den schönen Augen reibt

 Den Schlaf sich erwachend die Rose.

 

 Das schaffende Licht, es stammt und kreist

 Und sprengt die fesselnde Hülle;

 Und über den Wassern schwebt der Geist

 Unendlicher Liebesfülle!

 Adolf Böttger (1815 - 1870)

Vorfrühling

 

Das ist der Frühling nicht allein,

Der durch die Bäume dränget

Und wie im Faß der junge Wein

 Die Reifen fast zersprenget,

 

 Der Frühling ist ja zart und kühl,

 Ein mädchenhaftes Säumen,

Jetzt aber wogt es reif und schwül

Wie Julinächte träumen.

 

Es blinkt der See, es rauscht die Bucht,

 Der Mond zieht laue Kreise,

Der Hauch der Nachtluft füllt die Frucht,

 Das Gras erschauert leise.

 

Das ist der Frühling nicht allein,

Der weckt nicht solche Bilder.

Hugo von Hofmannsthal (1874 - 1929)

Februar

 

Schon leuchtet die Sonne wieder am Himmel

 und schmilzt die Schneelast von den Dächern

 und taut das Eis auf an den Fenstern

 und lacht ins Zimmer: wie geht's? wie steht's?

 

 Und wenn es auch noch lang nicht Frühling,

so laut es überall tropft und rinnt ...

du sinnst hinaus über deine Dächer ...

 du sagst, es sei ein schreckliches Wetter,

man werde ganz krank! und bist im stillen

 glückselig drüber wie ein Kind.

Cäsar Flaischlen (1864 - 1920)

Neujahr

 

 Altes Jahr, du ruhst in Frieden,

 Deine Augen sind geschlossen;

 Bist von uns so still geschieden

 Hin zu himmlischen Genossen,

Und die neuen Jahre kommen,

Werden auch wie du vergehen,

 Bis wir alle aufgenommen

Uns im letzten wiedersehen.

 Wenn dies letzte angefangen,

Deutet sich dies Neujahrgrüßen,

 Denn erkannt ist dies Verlangen,

Nach dem Wiedersehn und Küssen.

 Achim von Arnim (1781 - 1831)

15.1.2024

 

Winternacht

 

Verschneit liegt rings die ganze Welt,

Ich hab nichts, was mich freuet,

Verlassen steht der Baum im Feld,

 Hat längst sein Laub verstreuet.

 

 Der Wind nur geht bei stiller Nacht

Und rüttelt an dem Baume,

Da rührt er seine Wipfel sacht

Und redet wie im Traume.

 

Er träumt von künft'ger Frühlingszeit,

Von Grün und Quellenrauschen,

Wo er im neuen Blütenkleid

 Zu Gottes Lob wird rauschen.

Joseph von Eichendorff (1788 - 1857)

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