Im Forsthaus

 

Das Jahr neigte sich dem Ende zu. Weihnachten stand vor der Tür. Das Christkind verteilte an seine Helfer, die kleinen Weihnachtsengel, ihre Aufgaben, die sie auf der Erde zu erfüllen hatten. „Bald ist Weihnachten“, begann das Christkind seine Erklärung. „Alle Kinder auf der Erde möchten zum Fest etwas auf dem Gabentisch vorfinden.“ „Ob ich wohl auch diesmal mit auf die Erde darf?“, fragte sich Engel Pit im Stillen. Da rief das Christkind auch schon: „Pit, du darfst diesmal auch mit zu den Kindern. Du bist jetzt groß genug, hast die letzten Jahre von hier oben zugesehen, wie die anderen Engel ihre Aufgaben auf der Erde erfüllen. Traust du dir zu, selbständig auf der Erde Geschenke zu verteilen?“ „Aber natürlich, liebes Christkind“, antwortete Pit. „Schon lange habe ich mir gewünscht, auf die Erde zu kommen.“  „Na dann wollen wir es versuchen“, entschied das Christkind. „Ich habe für dich ein Forsthaus am Rande der Stadt ausgesucht. Dort ist es nicht so gefährlich wie in der Stadt, mit dem vielen Verkehr. Immerhin ist alles neu für dich und du musst erst lernen, dich auf der Erde zu Recht zu finden. Sieh, hier erwarten dich die Kinder“, das Christkind hielt Pit ein Fernrohr hin, in dem er das Haus sehen konnte. „Danke“, sagte Pit, „ich werde dich gewiss nicht enttäuschen.“

Pit entfernte sich, um sich auf seinen ersten Auftrag vorzubereiten. Die anderen Engel standen dem Christkind gegenüber, um ihre Aufgaben in Empfang zu nehmen. Er las sich seinen Zettel ganz genau durch. Drei Kinder wohnten im Forsthaus. Sie hießen Bernd, Klaus und Uschi. Mit dem Wunschzettel begab sich Pitt zum großen Weihnachtsgeschenkelager, um die rechten Gaben auszusuchen. Bernd sollte ein Fahrrad bekommen. Pit suchte ein besonders schönes aus und schmückte es mit bunten Bändern am Lenker. Klaus wünschte sich Bausteine. Pit suchte welche aus, auf die Zahlen und Buchstaben aufgedruckt waren. Klaus würde im nächsten Jahr zur Schule kommen, so konnte er schon mal mit Buchstaben und Zahlen umgehen lernen, dachte Pit. Nun galt es nur noch für Uschi etwas zu besorgen. Ein Puppenwagen meinte Pit, sei genau das Richtige. Nun noch eine kleine Puppe zum Hineinlegen in den Wagen. So, nun könnte es losgehen. Pit wollte gerade alles einpacken, da kam das Christkind zu ihm, um sich anzusehen, was Pit so mitnehmen wollte auf seinem Flug zur Erde. „Pit, hast du nicht etwas vergessen?“ Das Christkind sah den kleinen Engel fragend an. „Wieso?“, fragte Pit „Ich habe ein Fahrrad für Bernd, Bausteine für Klaus und Puppe mit Puppenwagen für Uschi. Ist das nicht genug?“ „Nein, das ist nicht genug. Überlege doch noch einmal, ob nicht etwas fehlt.“ „Da fällt mir aber so gar nichts ein“, antwortete Pit. „Na dann werde ich dir mal auf die Sprünge helfen“, antwortete das Christkind. „Die Erwachsenen, zum Beispiel die Eltern der Kinder, hätten auch gern etwas zum Fest.“ „Du liebe Zeit, nur gut, dass du mich noch erinnert hast“, bedankte sich der kleine Engel jetzt kleinlaut. „Was nehme ich nur“, überlegte er angestrengt.  Es ist Weihnachten, so werde ich der Mutter einen Nussknacker schenken, sicher wird sie sich darüber freuen. Für den Vater fiel ihm etwas ganz Besonderes ein. „Wie wäre es, wen ich ihm eine Laterne schenke“, dachte Pit. „Hei, das wird eine Überraschung, dort unten ist es dunkel und so leuchtet der ganze Wald!“ „Ja, ich nehme eine Laterne“, beschloss er. Packte seinen Schlitten und machte sich auf den Weg zur Erde.

Er landete direkt auf einer Waldlichtung. Die Sterne funkelten am Himmel und leuchteten Pit auf dem Weg zum Forsthaus. Von weitem sah er schon das Licht in den Fenstern des Hauses. Als er näherkam, hörte er Weihnachtsmusik, die ihm entgegenschallte. Ein wunderschöner Tannenbaum stand in der Nähe des Fensters, so dass Pit ihn schon von weitem leuchten sah. Da unser kleiner Engel noch nie zuvor auf der Erde war, ließ er sich etwas Zeit, um sich alles genau anzusehen. Vorsichtig packte er seinen Schlitten aus und legte alle Geschenke vor die Haustür. Da es die Heiligenacht war, schlug auch der Hund des Försters nicht an, sondern beobachtete nur staunend das Treiben. Als Pit alle Geschenke hübsch angeordnet hatte, läutete er sein Glöckchen.

Die Kinder im Hause wurden unruhig „Mutti, Mutti“, riefen sie, „hörst du nicht, da draußen hat es geläutet?“ „Wer soll denn da läuten?“, fragte die Mutter mit einem Schmunzeln im Gesicht. „Das ist der Klang der Abendglocken, der von der Stadt herüberweht.“ „Aber nein, Mutti, höre doch mal richtig hin“, riefen die Kinder wie im Chor. Da hielt die Mutter einen Moment in der Arbeit inne und lauschte nach draußen. „Tatsächlich“, sagte sie, „jetzt höre ich es auch. Es ist ja so ein feines Läuten, dass man es kaum hören kann.“ „Mutti komm, lass uns nachsehen, was das Läuten zu bedeuten hat!“, rief der größte und mutigste der Drei. „Na kommt, wollen wir mal sehen, was da draußen los ist.“  Jeder wollte der Erste sein und die Mutter musste sie erst einmal ermahnen, dass nicht einer den anderen umrannte.

Voll Staunen sahen sie die ganze Herrlichkeit und jubelten vor Freude. In dem Moment kam auch der Vater nach Hause. Er hatte den Tieren noch einmal die Raufe aufgefüllt mit Leckereien zum Fest und freute sich jetzt mit seinen Lieben über die gelungene Weihnachtsüberraschung.

Das Engelchen war inzwischen weitergegangen. „Oh, wie ist es doch dunkel hier unten“, dachte es. „Wie komme ich nur wieder in den Himmel. Da wollte ich so voreilig und schnell hinunter zur Erde und nun finde ich den Weg nicht mehr zurück. Fast hätte es angefangen zu weinen. Da hörte es von weitem ein Rauschen und drehte sich um. Nun sah es den Weihnachtsmann mit seinem Renntiergespann direkt auf sich zukommen. Der Mond schaute gerade ein wenig durch die Wolken. So sah der Weihnachtsmann den kleinen Engel dort am Waldrand stehen und hielt an. „Na du kleiner, wo willst du denn hin?“ „Ich war im Forsthaus“, erzählte Pit, „aber als ich nun wieder nach Hause wollte, fand ich den Weg nicht mehr“. „Na dann steig mal ein“, brummte freundlich der Weihnachtsmann. „Ich nehme dich ein Stück mit, ich bin zwar noch nicht ganz fertig mit der Arbeit, aber bis zu der großen Lichtung kannst du mitkommen.“ „Danke“, sagte der kleine Weihnachtsengel und fuhr gerne mit.

 Als sie die Lichtung erreichten, hielt der Alte an und ließ Pit aussteigen. „Frag mal die Eule, die ist schlau, vielleicht kann sie dir weiterhelfen“, meinte er noch zum Abschied. Nun stand Pit wieder alleine. Es dauerte jedoch nicht lange, da entdeckte er ein zartes Funkeln. „Was kann das nur sein“, überlegte er. “Pit, hallo Pit“, hörte er ein zartes Stimmchen und erkannte fast neben sich den kleinen Engel Flick. „Wie kommst du denn hier her?“, staunte Pit und freute sich über alle Maßen.

„Du hast deinen Stern im Himmel vergessen“, antwortete Flick. „Da hat mich das Christkind hinter dir hergeschickt, um dich zu suchen. Ohne deinen Stern kommst du nicht mehr nach oben zu uns.“ „Oh, danke, danke Flick“, rief Pit ganz erfreut. „Komm, dann wollen wir schnell machen, dass wir nach Hause kommen, damit das Christkind nicht noch länger auf uns warten muss. Als sie den Himmel erreichten, kam gerade ein Engel mit einem wunderschönen Weihnachtsbaum angeflogen, um ihn für die gemeinsame Weihnachtsfeier aufzustellen. Jetzt, wo alle Engel ihre Arbeit auf der Erde verrichtet hatten, erhielten sie hier oben vom Christkind ihre Bescherung. Pit blinzelte das Christkind noch einmal extra zu und Pit wusste schon warum.

Die drei Kinder aus dem Forsthaus haben diesen besonderen Weihnachtsabend ihr Leben lang nicht vergessen. © Christina Telker

 

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