Ostern in den Fünfzigern

Nach langem und strengem Winter war die Freude am ersten Grün besonders groß. Die Nachkriegsjahre waren gerade überstanden, mit Lebensmitteln musste jedoch noch sehr hausgehalten werden. Immerhin gab es alles nur auf Lebensmittelkarten (jedenfalls bei uns in der DDR). Zucker- und andere Marken waren so knapp berechnet, dass es gerade für das Notwendigste reichte. Um im HO Lebensmittel ohne Karten zu erwerben, dafür mangelte es an Geld. Und doch schaffte es meine Mutter jedes Jahr, ca. 14 Tage vor dem Fest mich mit einer besonderen Aufmerksamkeit zu erfreuen. Auf unserem Wohnzimmertisch stand dann plötzlich eine Glasschale mit Ostergras, in der Mitte saß ein kleiner Hase. Dieser Hase sorgte jeden Tag für eine kleine Überraschung. Entweder legte er ein Ei, oder eine andere österliche Süßigkeit. Ich entsinne mich da z.B. an Lämmchen aus Schaumzucker. Sie waren niedlich anzusehen und schmeckten ganz toll. (Leider verlorrn sich dieses süßen Leckerein aus Zuckerschaum in den 60er Jahren ganz auf dem Markt.) Kam dann das Osterfest, gingen die Kinder am frühen Morgen von Tür zu Tür mit Birkenreisig, das nannte man Osterstiepen. Nach einem kleinen Spruch, „stiepe, stiepe Osterei, gibst du mir kein Osterei, stiep ich dir den Rock entzwei“, bekamen die Kinder österliches Naschwerk oder ein buntes Ei ausgehändigt. Wer besonders fleißig im Stiepen war, hatten in kurzer Zeit seinen Korb gut gefüllt. In den Städten haben sich diese netten Osterbräuche verloren. Für mich ist es bis heute eine schöne Kindheitserinnerung geblieben. Auch wenn mein Körbchen die wenigsten Leckereien enthielt. Ich konnte mich einfach nicht überwinden Erwachsene mit Birkenruten zu schlagen. So erhielt ich nur von den Menschen etwas, die es freiwillig gaben.

Frühlingsbeginn

In meiner Kindheit zog sich der Winter von November bis in den März hinein. Natürlich genossen wir das herumtollen im Schnee, noch mehr jedoch sehnten wir uns nach langem Winter nach dem Frühling. Da ich sozusagen direkt in der Natur wohnte, bekamen wir Kinder dies auch hautnah mit. Sicher wesentlich mehr als Stadtkinder. Wir entdeckten das erste grüne Hälmchen oder das erste Blümchen. Nur wenige Meter von unserem Haus entfernt begann der Wald, ein sehr schöner Wald, in dem es einen Turm gab. Dieser Turm, deren Sagen um den Ritter von Uchtenhagen uns Kinder besonders anzog, war unser verbotener Spielplatz. Es waren die Nachkriegsjahre und entflohene Russen trieben sich zur Genüge in den Wäldern herum. Unsere Eltern sahen dies als Gefahr, wir Kinder überhörten die Warnung und spielten am liebsten bei unserem Turm. Dort gab es Frühlingsblumen in Hülle und Fülle. Lila leuchtete der Veilchenteppich, hellblau die Leberblümchen und am Fuße des Berges, etwas später, ein weißer Teppich von Anemonen (Buschwindröschen). Uns zogen diese herrlichen Waldlichtungen magisch an. Kaum war ein Sträußchen verblüht, brachte ich meiner Mutter einen Neuen. Natürlich erfuhr sie dadurch auch immer, dass wir doch bei dem Turm waren, das wurde dann lächelnd ignoriert. Wenn ich heute in der Frühlingszeit dort spazieren gehe (kommt leider nur alle paar Jahre mal vor, da ich nicht mehr dort wohne), sieht man nur ganz vereinzelt noch ein Blümchen am Wegesrand. Es ist wie so vieles eine liebe Kindheitserinnerung geblieben. Der Turm steht nach wie vor, ist sogar als Touristenpunkt ausgebaut.

Ein Ostertag

Schon am frühen Morgen des Ostersonntags weckten uns die Kirchenglocken. Es war ein wunderschönes Gefühl, der Gedanke „heute ist Ostern“. Das gute Sonntagkleid lag schon bereit und schon das alleine gab uns Kindern ein besonders festliches Empfinden.

  • Heute ist es selbstverständlich, seine Kleidung Werktags wie Sonntag zu tragen. Man zieht einfach an, was gefällt und wo man Lust drauf hat. Man hat ja den Schrank voller Garderobe. Damals wurde ein großer Unterschied zwischen Sonntags- und Alltagskleidung gemacht. Meist hatte man nur 1 Mal zum Wechseln. –

Der Morgen graute kaum, waren auch schon die Nachbarskinder mit ihren Osterkörben da, um zu stiepen. Meine Eltern hatten schon am Abend hierfür einige Süßwaren bereitgelegt. Desto länger man uns Kinder auf die Leckereien warten ließ, desto mehr Hiebe teilten wir mit den Birkenruten aus. So waren die meisten Eltern bemüht, dieses Spiel bald zu beenden. Dies war auch nötig, da man möglichst viele Nachbarn am frühen Morgen besuchen wollte, um am Ende das Körbchen recht gefüllt zu haben.

Nun ging es nach einem besonderen Osterfrühstück, bei dem der Tisch festlich gedeckt war, in die Kirche. Auch den Ostergottesdienst empfanden wir als besonders schön und festlich.

Nach dem Mittagessen ging es gemeinsam auf die Wiese. Bei uns grenzte direkt an den Waldrand, wo wir wohnten, eine große Wiese, die in ihrer Gesamtheit leicht abfiel. Sie eignete sich besonders gut zum Eiertrudeln. Wessen Ei (gekochtes Hühnerei) am weitesten kullerte und dabei nicht kaputtging, war Sieger.

Auf dieser Wiese versteckte dann auch der Osterhase seine Eier, die wir gemeinsam suchten.